Wir informieren Sie über die Aktivitäten der Lokalen Agenda Dresden und halten Sie über zivilgesellschaftliches und nachhaltiges Engagement und News aus Dresden und Umgebung auf dem Laufenden.
Unsere Geschäftsführerin Julia Leuterer war auf der Verkehrswendekonferenz Süd-Ost als Podiumsgast eingeladen. Ihre Impressionen hat sie in einem kurzen Artikel festgehalten:
Abschlusspodium mit Katja Meier, Stephan Kühn (MdB), Julia Leuterer (LA Dresden), Raoul Schmidt-Lamontain (Baubürgermeister), Christoph Erdmenger (Verkehrsministerium BW), Sabine Drewes (Heinrich-Böll-Stiftung) (v.l.) Foto von Cornelia Kurbjuhn
Einen inspirierenden Input (hier im Livestream sehen) gab Martin Blum von der Mobilitätsagentur aus Wien, der die verschiedenen Maßnahmen der Stadt Wien beschrieb, die zur Erreichung einer höheren Lebensqualität in der Stadt eingeführt wurden. Wien ist demnach eine richtige Öffi-Stadt, mit derzeit insgesamt 73% „grüner“ Mobilität. Die Stadt arbeitet dabei auf klar kommunizierte Ziele hin, denn sie will diesen Anteil in 2025 auf 80%, in 2030 auf 85% erhöht haben. Entscheidend hierbei sind auch die Preise. So hat Wien das 356,- EUR Jahresticket für den ÖPNV eingeführt, mit dem erklärten Ziel, dass dessen Nutzung nicht mehr als 1,- EUR pro Tag kosten soll. So hat es Wien bereits geschafft, mehr Jahreskartenbesitzer als Autobesitzer zu haben.
Zusätzlich zu der hohen ÖPNV-Nutzung will Wien den Radverkehr weiter fördern und 2.000 bis 3.000 neue Fahrradstellplätze pro Jahr bauen. Auch an die Fußgänger wird in Wien gedacht, denn Wien hat derzeit 90 Fußgängerzonen eingerichtet. Blums Tipp für das Voranbringen der Verkehrswende in anderen Städten ist, immer vordergründig die Lebensqualitäten zu kommunizieren, die durch eine Änderung im Verkehrsverhalten einzelner für alle erreicht werden sollen und mit positiven Bildern zu arbeiten.
So könnte auch die für Deutschland typische Emotionalität beim Thema Verkehrswende gemindert werden, auf die der zweite Redner Floris Beemster als einen Unterschied zwischen den Niederlanden und Deutschland verwies. Er zeigte Bilder aus Amsterdam und Utrecht aus den 70er Jahren, als diese Städte autogerecht umgebaut werden sollten und Staus und parkende Autos die ohne hin schon engen Straßen verstopften. Durch massiven zivilen Protest war es damals zu der Verkehrswende in den Niederlanden gekommen, bei der die Städte hinzu Fußgängerfreundlichkeit und Fahrradinfrastruktur ausgebaut wurden.
Was ist in Dresden gerade dran?
Bei dem folgenden interaktiven Teil war ich beim Workshop „In die Köpfe, aus dem Rathaus, auf die Straße – Die Mobilitätswende umsetzen“, mit Anne Klein-Hitpass von Agora Verkehrswende und Floris Beemster als Gäste und moderiert durch Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain. Als Fazit erarbeiteten die Teilnehmenden, dass jede Stadt ihre eigenen, konkreten Ziele für die Lebensqualität und damit die Verkehrsentwicklung erarbeiten soll, für die Umsetzung der Ziele bestehende Chancen nutzt sowie Mut zur Durchführung hat und diesen Prozess mit positiven Bildern und Geschichten unterstützt.
„Wir müssen das Grundgesetz auf die Straße holen, nämlich die dort festgeschriebene Gleichberechtigung aller Menschen und damit auch Verkehrsteilnehmenden. Derzeit werden Autofahrende aber strukturell bevorteilt. Eine Verkehrsgerechtigkeit besteht derzeit nicht.“ Sen.-Prof. Dr.-Ing. Gerd-Axel Ahrens vom Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr der TU Dresden
„Die Verkehrswende ist auf Bundesebene derzeit unterfinanziert.“ Stephan Kühn
Auch wenn wir in der Diskussion das Pin-Pong-Spiel von „wer ist jetzt zuständig für die nächsten Schritte in der Verkehrswende – Bund oder Land, Politik, Verwaltung oder Zivilgesellschaft?“ nicht ganz vermeiden konnten und das Thema derzeit auf Bundeseben trotz den Klimaziele der BRD wenig Relevanz hat, war die Quintessenz für mich am Ende diese: Wir sollten in Dresden unsere vorhandenen Stärken wie z.B. ein sehr gutes ÖPNV-Angebot und einen hohen Grünflächenanteil fördern und die vorhabenden Konzepte (Verkehrsentwicklungsplan 2025plus, Radverkehrskonzept, Fußverkehrskonzept in Entstehung) mutig und konsequent umsetzen.
Unser Ziel muss darüber hinaus sein, mit allen Willigen ein breites Bündnis zu schmieden, um auf Stadtebene unsere Lebensqualität-Ziele wie gute Luft, wenig Lärm, Sicherheit im Verkehr, ruhige Begegnungsorte, sichere Schulwege etc. mit positiven Bildern zu kommunizieren. Denn diese Ziele werden von Mehrheiten in der Bevölkerung mitgetragen. Mit einem Fokus auf die gewünschte Lebensqualität kann bei Konflikten bei einzelnen konkreten Maßnahmen wie z.B. der Wegfall von Parkplätzen, immer wieder mit diesen positiven Zielen verknüpft werden. Verkehrswende muss eben neben guter Planung auch Storytelling und gutes Marketing sein, um den Übergang für alle hin zu einer verkehrsgerechten, lebenswerten Stadt zu erleichtern.
Eindrücke von unserer Projektkoordinatorin Christine Mantu
„Die Nachhaltigkeitsziele sind das best gehütetste Geheimnis der Bundesrepublik Deutschland“ , so die Einschätzung der ehemaligen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Diesen Montag fand die 18. Jahreskonferenz vom Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) im Berliner Tempodrom statt. Unsere Projektkoordinatorin Christine Mantu war mit Karl Kretschmer, Geschäftführer von Permagold vor Ort und teilt mit uns einige persönliche Eindrücke:
mit Karl Kretschmer von Permagold
Bei der Jahreskonferenz des RNE stand das Peer Review, ein internationales Gutachten, das die vorgelegte Nachhaltigkeitsstrategie des Rates bewertet, der ausländischen Expert*innen im Fokus. Die beeindruckende Helen Clarke, ehemalige Premierministerin von Neuseeland und Leiterin der Expert*innengruppe lobte die Einzigartigkeit, ausländische Peers eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie bewerten zu lassen. Allerdings kritisierte sie es gäbe zu viele „red-flag-Indikatoren“, an denen zu erkennen sei, dass Deutschland zum Teil „off-track“ sei. Dazu gehören Faktoren, wie die Bio-Diversität, der Zustand des Grundwassers, die Erreichung der Klimaziele genauso wie der gesellschaftliche Zusammenhalt und das steigende Übergewicht der Bevölkerung. Deutschland müsse sich seiner Verantwortung bewusst sein, denn „what happens in Germany, matters globally“, so Clarke.
Helen Clarke, Marlen Thieme und Angela Merkel bei der Übergabe des Reviews
Auch für Marlehn Thieme, Vorsitzende des RNE, fällt die Bilanz ernüchternd aus: „Ohne falschen Alarmismus müssen wir feststellen: Wir haben Anlass zu großer Sorge“. Daraufhin folgte ein für mich beeindruckender Moment, der dokumentiert, dass wir zumindest bei „Ziel 5“ (Geschlechtergeschleichstellung) der SDG’s Fortschritte gemacht haben: Die Übergabe, des Peer Reviews von Helen Clarke an Angela Merkel, begleitet und moderiert von Marlehn Thieme. Drei gestaltungsmächtige Frauen auf einer Bühne. Ich empfand es als wunderbares, wenn auch längst überfälliges Bild in 2018. Ein Wermutstropfen folgt durch die eingangs zitierte Heidemarie Wieczorek-Zeul: Das bestehende Gender-Gap in Deutschland bei der Vergütung von Lohnarbeit sei nicht mehr hinnehmbar.
Die anschließende Rede der Bundeskanzlerin gab den Anwesenden zu verstehen: es geht schon so seinen Gang mit der Nachhaltigkeit, wenn auch langsamer als es sich die Meisten wünschen. Ernüchternd war auch, dass Frau Merkel in ihrer Rede einen Schwerpunkt auf die sogenannte „illegale Migration“ und den Schutz der Außengrenzen legte, ohne Bezug auf die SDG’s und die globale Wertschöpfungskette zu nehmen.
Weitere Referent*innen und Expert*innen gaben den Tag über Impulse und verdeutlicheten, dass es an jeder Stelle, im Sport, in den Medien, in der Kommunalpolitik, Nachhaltigkeitstrategien benötigt. Ulrich Sierau als Oberbürgermeister der Stadt Dortmund stach für mich besonders heraus. Unter ihm wurde die Stadt Dortmund als „Deutschlands nachhaltigste Großstadt 2014“ ausgezeichnet. Für ihn ist nachhaltige Entwicklung eine Leitlinie in jedem Bereich und eng mit Partizipation und Bürger*innenbeteiligung verknüpft. Sein Engagement verdeutlicht umso mehr, dass in Dresden in Sachen nachhaltiger Entwicklung noch deutlich Luft nach oben besteht.
Maden-Parmesan-Cracker von Sarah Wiener
Abschließend kann ich nicht umhin, von meinem persönlichen Highlight der Jahreskonferenz des RNE zu berichten: Das Catering von Sarah Wiener. Sie ist nicht nur als Fernsehköchin und Stiftungsgründerin der Sarah Wiener Stiftung sondern vor allem als Aktivistin bekannt. Sie setzt sich für regionale und saisonale Küche sowie für mehr Tierwohl in der „Nutztier“-Haltung ein. Sie beweist, dass nachhaltiges und leckeres vegetarisches Catering auch bei Großveranstaltungen möglich ist – wenn auch die Proteinquelle der Zukunft, wie auf dem Foto zu sehen, zunächst etwas gewöhnungsbedürftig erschien.
Bleibt festzuhalten: Nun müssen nach einer tollen Konferenz auch Taten folgen, denn die Zeit wird knapp wieder „on-track“ zu kommen.
Zahlreiche Dresdner Unternehmen reden nicht nur, sondern handeln im Sinne der Nachhaltigkeit. Dazu gehören beispielsweise die klimafreundliche Versorgung mit Strom, die Bestrebungen um autarke Energieversorgung in Dresden–Kaditz, attraktive und umweltfreundliche Nahverkehrsangebote sowie das Engagement für eine attraktive, saubere Stadt.
Die Dresdner Unternehmen und Organisationen kommunizieren ihre vielfältigen Aktivitäten,- wenn überhaupt – unabhängig voneinander. Im Rahmen eines längerfristigen Konzepts will der Initiativkreis dazu anstoßen, die Kräfte in der Stadt für eine gemeinsame Kommunikation der Aktivitäten für eine „grüne“ Stadt zu bündeln.
Die Welt unterliegt einem ständigen Wandel. Zum zwanzigjährigen Bestehen des Vereins und zwanzig Jahren Einsatz für nachhaltige Entwicklung in Dresden und Sachsen wollen wir unsere Arbeit reflektieren und neu fokussieren. Einen Schritt sind wir schon gegangen: Wir haben unsere Kooperationspartner/innen und Mitglieder/innen zu ihrer persönlichen Wahrnehmung und Einschätzung der Lokalen Agenda-Arbeit befragt. Hier möchten wir für Sie ausgewählte, selbstkritische und zukunftsweisende Ergebnisse zusammenfassen:
An der Online-Umfrage beteiligten sich 36 Personen und Institutionen, die in den letzten Jahren mit uns kooperierten haben oder sich für eine nachhaltige Entwicklung in Dresden engagierten. Zunächst wurde die bisherige Arbeit der Lokalen Agenda eingeschätzt. 78% der Befragten befanden, dass die Arbeit der Lokalen Agenda einen mittleren bis großen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung geleistet hat. Den Beitrag zum Bewusstseinswandel in der Stadt sahen die Befragten dagegen geringer: 75% sehen hier nur einen kleinen bis mittleren Beitrag durch die Lokale Agenda. Die Lokale Agenda steuert im mittleren bis guten Maße dazu bei, nachhaltige Themen präsenter und lokale Initiativen sichtbarer zu machen (78%). Jedoch regen wir aus Sicht der Akteur/innen die Dresdner/innen nur gering bis mittel zum konkreten nachhaltigen Handeln an (83%). Die Aktivität der Lokalen Agenda zur Schaffung von Kooperationen und Synergien zwischen verschiedenen Nachhaltigkeitsakteur/innen sowie in der Kommunikationsunterstützung zwischen Stadtpolitik und –verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft wirkt sich positiv aus, finden 75% der Befragten.
Foto der Klausurtagung der Lokalen Agenda für Dresden
„[…] für die gegebenen Kapazitäten leistet die LA21 unheimlich viel. Doch wenn man den Kontext der Stadtgesellschaft Dresden betrachtet, können 1 ½ Personen nicht gegen die Dynamik von 530 000 an. Es bräuchte viel mehr politische Unterstützung und Kapazitäten für die LA21.“ Vielen herzlichen Dank für die klaren Worte, deren Forderung wir unterschreiben. Zum Glück sind wir nicht allein, sondern arbeiten mit vielen Pionier/innen des Wandels in Dresden an vorderster Linie.
Geschätzt an der Arbeit der Dresdner Lokalen Agenda wird die Schnittstellen- und Vernetzungsfunktion zwischen Verwaltung und Initiativen sowie die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Akteur/innen und Sichtweisen (Übersetzungsfunktion). Weiterhin wird der Lokale Agenda Wettbewerb gelobt und das persönliche Engagement sowie die gute Arbeitsatmosphäre bei Kooperationen hervorgehoben. Vielen Dank, darüber freuen wir uns sehr!
Die Lokale Agenda bedient ein breites Themenspektrum, welches das Thema Nachhaltigkeit einerseits fordert. Andererseits vertraten einige Befragte die Meinung, die Agenda bräuchte mehr Durchsetzungskraft, ein klareres Profil und mehr Bürger/innennähe – „Ich vermisse die Radikalität (im gutem Sinne) bei inhaltlicher Tiefe und den Mut, unangenehm und deutlich zu sein,“ so eine weitere Position. Viele Befragte sprachen sich in den qualitativen Antworten für eine stärkere Öffentlichkeitswirksamkeit der Lokalen Agenda aus.
Dazu sagt Julia Leuterer, Geschäftsführerin der Lokalen Agenda: „Durch einige Antworten wurde uns bewusst, dass unsere Arbeit und Engagement von außen schwer zu überschauen ist. Wir werden also weiter an einer transparenten und übersichtlichen Darstellung arbeiten. So wollen wir dieses Jahr z.B. eine neue Webseite aufsetzen.“
Unsere befragten Kooperationspartner/innen sahen viele und heterogene Herausforderungen für die Arbeit der Lokalen Agenda auf dem Weg zur nachhaltigen Stadt Dresden. Wie schaffen wir es alle Bürger/innen Dresden zu erreichen und auch zu überzeugen? Wie gestaltet man ein inklusives Konzept der Stadt-und Lebensveränderung? Wie überwindet man ideologische Barrieren? Welche der vielen Prioritäten und anzugehenden Themen haben Vorrang im eigenen Profil und Tätigkeitsbereich? Was hat wirklich Wirkkraft?
Als wichtigste zukünftige Schwerpunkte befinden die Befragten, dass wir Initiativen bekannter machen und vernetzen (81% wichtig bis sehr wichtig) sowie politischen Druck für nachhaltige Entwicklung erzeugen (78% wichtig bis sehr wichtig) sollten. Dabei interessierten sich die Befragten besonders für Themen der Stadtentwicklung (67%), des sozialen Zusammenhalts (50%), Ernährung (44%), Mobilität (44%), Wirtschaft (25%) und Energie (17%).
Was folgt aus diesen Ergebnissen?
Die Lokale Agenda Dresden wird in Zukunft vor allem folgende Funktionen fokussieren:
Vermittlungsfunktion: zwischen Zivilgesellschaftlichen Engagement und der LH Dresden sowie Vernetzung von Initiativen untereinander
Bündelungsfunktion: von Interessen von Initiativen und Zivilgesellschaft
Brennglasfunktion: Interessensvertretung für Nachhaltigkeit
Baugemeinschafts- und Wohnprojekte helfen den Dresdner Bürgern – von jungen Familien bis zu Singles und Paaren 50plus – ihre Wohnwünsche zu realisieren, sich ein Umfeld in selbstgewählter Nachbarschaft zu gestalten und dabei soziale, ökono-mische und ökologische Lösungen zu finden, die den Zielen einer nachhaltigen Stadtentwicklung entsprechen. Gemeinschaftliche Bau- und Wohnprojekte binden deren Bewohner an ihren Wohnort und tragen zur Lebendigkeit und Stabilisierung von Stadtquartieren bei. Damit werden Altbauten neu genutzt und innerstädtischen Brachen bebaut. Die Selbstnutzer engagieren sich für Architekturqualität, für nachhaltige Bauweise und ein ansprechendes Wohnumfeld und bringen sich aktiv in die Entwicklung des Stadtteils ein. Gemeinsame Wohnformen sind eine mögliche Antwort auf eine sich verändernde Gesellschaft. In einer Zeit, die durch Individualisierung, demografischen Wandel, Veränderung der Familienstrukturen und die Veränderung sozialer und ethischer Werte gekennzeichnet ist, stellen sie einen Gegenentwurf zur Vereinzelung dar. So ergänzen sich die persönlichen Vorteile der Bewohner mit den Vorteilen für die Gesellschaft.
Ausführliche Informationen finden Sie unter www.nwid.de