Am Halloween Wochenende vom 30.10. 2020 bis 01.11.2020 besuchte unsere Praktikantin Daria Humburg ein Framing Seminar zum globalen Lernen und zur Bildung nachhaltiger Entwicklung. Ein besonderes Augenmerk wurde auf den Frame der Klimakrise gelegt. Organisiert wurde das Seminar von der Gemeinsamen Sache und dem mohio e. V. aus Halle und fand in dem Räumlichkeiten der Evangelischen Hochschule in Dresden statt.
Das Seminar startete an einem verregneten Freitag Nachmittag, während die Vorbereitungen des zweiten light Lockdowns über allem schwebten. Trotz dessen erschienen die Teilnehmenden mit großer Motivation und Anregungen zum Hygienekonzept der Veranstaltung. Die Gruppe saß in großen Abständen in einem ausreichend großen Raum mit guter Belüftung, inklusive Lüftungsbeauftragter aus den Reihen der Teilnehmenden. Materialien wurden desinfiziert und nicht von allen berührt. Auch beim gemeinsamen Essen, welches vom LadenCafé aha in Dresden geliefert wurde, konnten Abstände eingehalten werden – so entstand eine achtsame schöne Atmosphäre während des gesamten Wochenendes.
Ganz nach dem Ziel des mohio e. V. fundiertes Hintergrundwissen zu möglichst vielen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen zu vermitteln, wurde der Workshop von zwei vielfältig orientierten Frauen geleitet: Anne Wiebelitz und Heike Fahrun.
Anne Wiebelitz studierte Politikwissenschaften und Südosteuropastudien sowie interkulturelle Seminarleitung. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen interkulturelle Kommunikation, Konflikttransformation, Umweltbildung und Wildnispädagogik. Heike Fahrun arbeitet seit 2001 als Trainerin für Stiftungen, NGOs und nationale sowie internationale Freiwilligenprogramme. In Weiterbildungen beschäftigte sie sich intensiv mit den Themen Generationenlernen und Anti-Diskriminierung/Anti-Bias. Ihre Schwerpunkte liegen in der Partizipation und dem Engagement, im diversitätsbewussten Lernen, der Erinnerungskultur, in Mentoringprozessen und dem Multiplikator*innen-Training (Train-the-Trainer).
Nach einem ersten Kennenlernen und der Vorstellungen der individuellen Ziele und Erwartungen an das Seminar, begann der zweite Tag mit einem spannenden Vortrag über Frames. Worauf basieren Frames? Am ersten Seminartag hatte die Gruppe bereits festgestellt, dass Frames von ganz alleine auftreten. In einer Vorstellungsrunde sollten Geschichten zum eigenen Namen erzählt werden. Dabei ereigneten sich, je nach eröffnetem Frame, unterschiedliche Reaktionen der anderen Teilnehmenden. So lachten alle, als ein Teilnehmer berichtete, dass sein Vorname „Ronny“ als typischer ostdeutscher Name zu DDR Zeiten im Plattenbau gelte und er sich bei offiziellen Stellen mit seinem zweiten Vornamen vorstelle, weil er dann ernster genommen würde. Diese Reaktion der Teilnehmenden implizierte, dass ein bestimmter Frame eröffnet wurde.
Zunächst gilt es jedoch Frames von Werten, Stereotypen und Narrativen abzugrenzen. Werte verkörpern meist individuelles Engagement, um Dinge oder Probleme anzugehen. Sie spiegeln sich in Zielen wider, treten als Leitmotive oder Maßstäbe und Urteilskriterien auf. Außerdem führen Werte zu politischen Überzeugungen, zur Wahl eines bestimmten Studiums, zum Aktivismus oder bezüglich des Themas der Klimakrise zur Reduzierung des Fußabdrucks. Darüber hinaus sind Werte nicht immer politischer Natur. So können Werte auch Eigenschaften wie unabhängig oder neugierig sein und Selbstachtung oder freie Liebe erfahren, beinhalten. Besonders gut lassen sich Werte nach dem Modell des Sozialpsychologen Slalom Schwartz in einem Kreis darstellen, wobei sich bestimmte Werte gegenüber liegen. Dabei werden zwei „Seiten“ der Werte deutlich – zum Einen die Seite der Macht, die auf individuelle Bereicherung und das Bewahren traditioneller Werte bezogen ist und zum Anderen die Seite des Guten, die für das Gemeinwohl der Gesellschaft und den Wandel steht.
Die in der folgenden Grafik dargestellten Werte, wie beispielsweise soziale Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Natur schützen und Freiheit sind in allen Menschen angelegt, jedoch nicht gleichermaßen. Woran liegt das? Als Beispiel nennen die Workshopleiterinnen einen sozialpsychologischen Versuch. Die Versuchspersonen bekamen in zwei Gruppen zwei unterschiedliche Texte zu lesen. Eine Gruppe las einen Text über eine Schildkröte, die andere Gruppe las einen Text über einen Geparden. Anschließend sollten die Versuchspersonen verschiedene Personen als schnell oder langsam einordnen. Auffällig war, dass die Gruppe, die den Text über die Schildkröte gelesen hatte, im Allgemeinen Personen in ihrer Aktivität eher als langsam einordnete. Deutlich wird anhand dieses Beispiels, dass Menschen immerzu von sozialen Umständen und äußeren Einflüssen geleitet werden.
Der Umgang mit Werten ist abhängig vom jeweiligen Weltbild des Individuums. Laut einer Common-Cause Studie in Großbritannien, die 2016 durchgeführt wurde, legen zwar 74% der befragten Menschen mehr Wert auf Gemeisnchaft und das Gemeinwohl, jedoch gehen 77% der befragten Menschen davon aus, dass ihren Mitmenschen Werte, die den eigenen Status fördern, wichtiger sind als Werte, die die Gemeinschaft fördern. Dabei entsteht das Phänomen, dass die Menschen, die selbst das Gemeinwohl fördernde Werte, also instrinsische Werte, verterten, aber gleichzeitig davon ausgehen, dass andere Menschen eher extrinsische, auf den eigenen Status bezogene Werte verfolgen, dazu neigen weniger gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich weniger für Veränderungen oder Aktivismus engagieren. Frames können also Werte aktivieren und verstärken. Sie verbinden sich mit persönlichen Erfahrungen und organisieren Fakten. Eigentlich verstehen wir, als Menschen, alle Dinge unbewusst durch irgendwelche Frames. Sie gelten als Deutungsmuster und als mentale Infrastruktur. Zum Ausdruck bringen wir die Frames, also die Welt wie wir sie begreifen, durch Worte als „semantische Wundertüten.“
Bereits zu Anfang des Workshops merkten wir, dass es ziemlich schwieirg ist, Frames von Stereotypen oder Narrativen zu unterscheiden, da Frames irgendwie alles miteinander verbinden. Aus diesem Grund folgt hier eine kurze Darstellung der Abgrenzung von Stereotypen und Narrativen: Stereotype bedeuten, dass ein Sachverhalt, der als typisch behauptet wird, vereinfacht dargestellt wird. Dies kann zum Beispiel eine Eigenschaft eines Menschen oder einer Gruppe an Menschen sein. Ein Narrativ ist eine sinnstiftende Erzählung in Form einer Geschichte, die jedoch immer einen Legitimitätszweck oder ein Ziel verfolgt. Durch Narrative können Frames umgeformt oder gar erst erstellt werden und Stereotype sind oft in Frames zu bestimmten Dingen enthalten.
Nach dem Erlernen der theoretischen Grundlagen erfolgten praktische Bezüge zur Arbeit im Nachhaltigkeitsbereich. Das wohl bekannteste Beispiel eines Frames ist der Unterschied zwischen der Verwendung der Begriffe „Klimawandel“ und „Klimakrise“. In Gruppenarbeiten besprachen wir, dass der Begriff „Klimawandel“ vor allem wirtschaftlich geprägt ist, da ein Wandel möglich ist und nicht unbedingt große Veränderungen sowie Anstrengungen darstellen muss. Die „Klimakrise“ betont dagegen den Ernst der Lage und die Wichtigkeit des Handelns. Außerdem bekamen wir das Beispiel des halbvollen oder halbleeren Glas. Je nach Bezeichnung eines Glases, welches zur Hälfte Wasser oder andere Flüssigkeiten beinhaltet, wird die individuelle Betrachtungsweise der Welt offensichtlich. Pessimistischer wäre es zu sagen, das Glas sei halbleer. Optimistischer wäre ein halbdolles Glas. Frames können auch als Objektifizierung bestehen. So wird die Bundesregierung Deutschlands oft als „Berlin“ bezeichnet, da dort der Sitz der Regierung liegt. Durch Werkzeuge wie Narrative und Stereotype können Frames bewusst gesetzt werden. Dabei kommt es oft auf die Betonung oder einzelne Worte an. Auch Bilder im Kopf können Frames setzen, die das individuelle Handeln beeinflussen. So kann man zum Beispiel mit dem Bild von Superman im Kopf souveräner in ein Bewerbungsgespräch gehen.
Zum Ende des Seminars erfolgte viel positives Feedback und aber auch der Wunsch nach einer Vertiefung Frames im Klimabereich aktiv zu gestalten, zu verändern und zu setzen. Ich freue mich auf eine Weiterführung und Vertiefung des Themas!
Empfehlung: Wenn ihr interessiert am Thema Framing und Werte seid, schaut doch mal in das Handbuch der Gemeinsamen Sache rein.