Unsere Geschäftsführerin Julia Leuterer war auf der Verkehrswendekonferenz Süd-Ost als Podiumsgast eingeladen. Ihre Impressionen hat sie in einem kurzen Artikel festgehalten:
Über 130 Teilnehmende saßen letzten Freitag im Hygienemuseum zur Verkehrswendekonferenz Süd-Ost, organisiert durch die Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung weiterdenken, dem VCD Elbe-Saale und dem ADFC Sachsen e.V.
Wie läuft die Verkehrswende anderswo?
Einen inspirierenden Input (hier im Livestream sehen) gab Martin Blum von der Mobilitätsagentur aus Wien, der die verschiedenen Maßnahmen der Stadt Wien beschrieb, die zur Erreichung einer höheren Lebensqualität in der Stadt eingeführt wurden. Wien ist demnach eine richtige Öffi-Stadt, mit derzeit insgesamt 73% „grüner“ Mobilität. Die Stadt arbeitet dabei auf klar kommunizierte Ziele hin, denn sie will diesen Anteil in 2025 auf 80%, in 2030 auf 85% erhöht haben. Entscheidend hierbei sind auch die Preise. So hat Wien das 356,- EUR Jahresticket für den ÖPNV eingeführt, mit dem erklärten Ziel, dass dessen Nutzung nicht mehr als 1,- EUR pro Tag kosten soll. So hat es Wien bereits geschafft, mehr Jahreskartenbesitzer als Autobesitzer zu haben.
Zusätzlich zu der hohen ÖPNV-Nutzung will Wien den Radverkehr weiter fördern und 2.000 bis 3.000 neue Fahrradstellplätze pro Jahr bauen. Auch an die Fußgänger wird in Wien gedacht, denn Wien hat derzeit 90 Fußgängerzonen eingerichtet. Blums Tipp für das Voranbringen der Verkehrswende in anderen Städten ist, immer vordergründig die Lebensqualitäten zu kommunizieren, die durch eine Änderung im Verkehrsverhalten einzelner für alle erreicht werden sollen und mit positiven Bildern zu arbeiten.
So könnte auch die für Deutschland typische Emotionalität beim Thema Verkehrswende gemindert werden, auf die der zweite Redner Floris Beemster als einen Unterschied zwischen den Niederlanden und Deutschland verwies. Er zeigte Bilder aus Amsterdam und Utrecht aus den 70er Jahren, als diese Städte autogerecht umgebaut werden sollten und Staus und parkende Autos die ohne hin schon engen Straßen verstopften. Durch massiven zivilen Protest war es damals zu der Verkehrswende in den Niederlanden gekommen, bei der die Städte hinzu Fußgängerfreundlichkeit und Fahrradinfrastruktur ausgebaut wurden.
Was ist in Dresden gerade dran?
Bei dem folgenden interaktiven Teil war ich beim Workshop „In die Köpfe, aus dem Rathaus, auf die Straße – Die Mobilitätswende umsetzen“, mit Anne Klein-Hitpass von Agora Verkehrswende und Floris Beemster als Gäste und moderiert durch Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain. Als Fazit erarbeiteten die Teilnehmenden, dass jede Stadt ihre eigenen, konkreten Ziele für die Lebensqualität und damit die Verkehrsentwicklung erarbeiten soll, für die Umsetzung der Ziele bestehende Chancen nutzt sowie Mut zur Durchführung hat und diesen Prozess mit positiven Bildern und Geschichten unterstützt.
„Wir müssen das Grundgesetz auf die Straße holen, nämlich die dort festgeschriebene Gleichberechtigung aller Menschen und damit auch Verkehrsteilnehmenden. Derzeit werden Autofahrende aber strukturell bevorteilt. Eine Verkehrsgerechtigkeit besteht derzeit nicht.“ Sen.-Prof. Dr.-Ing. Gerd-Axel Ahrens vom Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr der TU Dresden
Was nehmen wir mit?
In der Podiumsdiskussion (hier im Livestream zu sehen) mit Raoul Schmidt-Lamontain, Stephan Kühn (MdB), Christoph Erdmenger und Julia Leuterer ging es abschließend um die Frage, „Gute Ideen: Und wie wird daraus Politik?“.
„Die Verkehrswende ist auf Bundesebene derzeit unterfinanziert.“ Stephan Kühn
Auch wenn wir in der Diskussion das Pin-Pong-Spiel von „wer ist jetzt zuständig für die nächsten Schritte in der Verkehrswende – Bund oder Land, Politik, Verwaltung oder Zivilgesellschaft?“ nicht ganz vermeiden konnten und das Thema derzeit auf Bundeseben trotz den Klimaziele der BRD wenig Relevanz hat, war die Quintessenz für mich am Ende diese: Wir sollten in Dresden unsere vorhandenen Stärken wie z.B. ein sehr gutes ÖPNV-Angebot und einen hohen Grünflächenanteil fördern und die vorhabenden Konzepte (Verkehrsentwicklungsplan 2025plus, Radverkehrskonzept, Fußverkehrskonzept in Entstehung) mutig und konsequent umsetzen.
Unser Ziel muss darüber hinaus sein, mit allen Willigen ein breites Bündnis zu schmieden, um auf Stadtebene unsere Lebensqualität-Ziele wie gute Luft, wenig Lärm, Sicherheit im Verkehr, ruhige Begegnungsorte, sichere Schulwege etc. mit positiven Bildern zu kommunizieren. Denn diese Ziele werden von Mehrheiten in der Bevölkerung mitgetragen. Mit einem Fokus auf die gewünschte Lebensqualität kann bei Konflikten bei einzelnen konkreten Maßnahmen wie z.B. der Wegfall von Parkplätzen, immer wieder mit diesen positiven Zielen verknüpft werden. Verkehrswende muss eben neben guter Planung auch Storytelling und gutes Marketing sein, um den Übergang für alle hin zu einer verkehrsgerechten, lebenswerten Stadt zu erleichtern.