Am 15. Januar hat die Lokale Agenda, moderiert von Team-Mitglied Christine Mantu, ihren ersten Energiedialog im neuen Jahr veranstaltet. Unsere Bundesfreiwillige Theresa Zakrzewski war dabei und schildert ihre Eindrücke.
Mein erster Energiedialog bei der Lokalen Agenda und dann gleich so ein persönliches Thema: Das mobile Endgerät steckt immer in meiner Hosentasche, Zuhause steht ein gut genutzter Laptop auf dem Schreibtisch und regelmäßig konsumiere ich Inhalte auf Youtube. Ein gutes Beispiel für eine Entwicklung, deren großer Einfluss auf Nachhaltigkeit vielen gar nicht bewusst ist: die Digitalisierung.
In das Thema eingeführt und für seine Probleme sensibilisiert wurden wir von unserem Referenten Felix Sühlmann Faul, Techniksoziologe, Speaker und Autor mit der Spezialisierung auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit aus Braunschweig. Unter dem Titel „Wie uns (k)eine nachhaltige Digitalisierung gelingt“ zeigte er den vielen interessierten Anwesenden auf, welche Probleme die Mega-Entwicklung für einen nachhaltigen Umgang mit Energie und Ressourcen mit sich bringt und erklärte, mit welchen einfachen Maßnahmen man selbst digitale Inhalte nachhaltig nutzen kann.
Dabei begann sein Vortrag aufgrund von Verspätungen im Zugverkehr ohne Herrn Sühlmann-Faul. Die Mehrzeit wurde gekonnt genutzt, um ein wichtiges Projekt zur intelligenten Netz-Einbindung von Strom aus erneuerbaren Energien und seine bestmögliche Nutzung vorzustellen: WindNODE. Spontan berichtete Frau Kerstin Kalke von der Landeshauptstadt Dresden- der lokale Kooperationspartner- dem Publikum vom Aufbau und aktuellen Stand des Projektes. Die vielen Nachfragen zeugten von einer gelungenen Lösung.
Die meisten von uns verbinden überwiegend Positives mit Digitalisierung: bessere und schnellere Kommunikation – auch über weite Distanzen, ein schier unendlicher Wissensspeicher, auf den man von fast überall zugreifen kann, Fotos machen, Fotos teilen, Filme und Serien streamen. Digitalisierung macht es möglich. Riesige Server-Farmen stellen die unvorstellbaren Mengen an Daten bereit, welche Zivilgesellschaft, Unternehmen und Politik inzwischen (ver)brauchen. 2002 betrug der globale Datendurchsatz 100GB pro Sekunde. 2021 wird er schätzungsweise bei 106.000GB pro Sekunde liegen. Was das für unsere Umwelt bedeutet, ist nicht sofort sichtbar.
Effizienz und Rebound-Effekt: Digitalisierung und insgesamt technischer Fortschritt sorgen für immer mehr Effizienz in Produkten und Prozessen. Damit werden Ressourcen, Zeit, Geld und Arbeitskraft eingespart. Soweit so richtig. Lassen wir eine LED-Lampe aber viel länger brennen als die ausgedienten Glühbirnen, weil sie effizienter – sprich stromsparender – sind, wird die Effizienz nicht nur kompensiert sondern sogar überkompensiert. Wir verbrauchen im Endeffekt mehr Strom als vorher. Und dieses Phänomen lässt sich auf viele Bereiche übertragen: Wir kaufen Kühlschränke der Energieeffizienzklasse A+++ und schließen sie an unser Smart Home an. Die ständige Abfrage von Daten durch den Kühlschrank und die Kommunikation mit anderen Geräten im Heimnetz verbauchen große Mengen an Strom. Oder wir streamen eine Serie im Internet – die Fahrt mit dem Auto zur Videothek fällt dadurch weg und kein physischer Datenträger muss hergestellt werden. Aber Video-Streaming verbraucht riesige Datenmengen und wir streamen nicht nur einen Film oder eine Serien-Folge, sondern gleich mehrere am Stück. Tatsächlich verursacht Streaming den größten Datenverbrauch im Internet. 2021 soll sein Anteil bei 82% aller Daten liegen.
Suffizienz und Konsistenz: Effizienz allein ist also keine Lösung. Wichtiger ist die so genannte Suffizienz – der Weniger-Verbrauch. Licht ausschalten, wenn man es nicht mehr braucht, nicht ganze Wochenenden damit zubringen, im Bett Serien zu streamen, nicht jede Kleinigkeit googeln. Denn eine Anfrage bei Google verbraucht umgerechnet 0,2g CO2. Allein durch Suffizienz können wir unsere Ökobilanz wesentlich aufbessern. Denn ist den meisten Ländern der Erde geschieht die Energiegewinnung noch nicht durch erneuerbare Stromquellen, sondern durch Kohle oder Atomenergie.
Hinzu kommt Konsistenz, welche besagt, dass bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung eines Produktes kein eigentlicher Abfall entsteht. Also nichts, was später auf der Deponie eingelagert werden muss. Eingesetzte Ressourcen verschwinden nicht aus der Verwertungskette, sondern können vollständig wiederverwertet und für neue Produkte eingesetzt werden. Eine Kreislaufwirtschaft wäre konsistent. Und das passende Wirtschaftsprinzip exisitert ebenfalls bereits: Cradle to Cradle. Eine Regionagruppe des Vereins gibt es auch hier in Dresden
Konfliktminerale: Besonders eindringlich machte unser Referent das Publikum auf die schlechte Sozialbilanz des globalen Nordens aufmerksam. In technischen Geräten wie Smartphones oder PCs werden sogenannte Konfliktminerale (besonders Tantal, Zinn, Wolfram und Gold) verbaut. Diese stammen zum Großteil aus der Demokratischen Republik Kongo. Die Minengebiete, in denen die Mineralien abgebaut werden, befinden sich meist in Hand von Rebellen, die auf diese Weise ihre Waffen finanzieren. Viele Menschen die hier arbeiten, werden dazu gezwungen. Oft sterben Arbeiter/innen in der Mine durch den Einbruch von Schächten. Kinderarbeit und Zwangsprositution sind an der Tagesordnung. Der Kampf zwischen den einzelnen Rebellen-Milizen fordert immer wieder zahlreiche Tote. Hundertausende Menschen fliehen aus dem Land. Und das alles auch, damit wir im reichen Europa ein Video über Katzenbabys mit unseren Freunden teilen können. Die Situation im Kongo ist eine humanitäre Katastrophe, die wir durch unseren Technik- und Energiekonsum mitverursachen.
Die Digitalisierung scheint unaufhaltbar – Datenströme nehmen stetig zu, die nötigen Datenzentren werden immer größer und stoßen immer mehr Emissionen aus. 2020 werden circa 52% aller Menschen online sein. Der Zugang zu fließendem Wasser steht weniger Menschen zur Verfügung. Um diesen Trend zu drehen, müssen wir unser Denken und Verhalten ändern. Folgende Tipps gab uns Herr Sühlmann-Faul mit auf den Weg:
- Geräte länger nutzen: Funktionsfähige technische Geräte weiter nutzen statt neue zu kaufen (Der Energieverbrauch des laufenden Gerätes ist wesentlich kleiner als der Energieverbrauch bei der Produktion des Gerätes selbst)
- Digitale Lesezeichen (Bookmarks) verwenden: Häufig besuchte Homepages als Lesezeichen abspeichern, damit sie nicht extra über Google gesucht werden müssen
- Digitale Suffizienz: technische Geräte nur nutzen, wenn wirklich nötig
Die auf den Vortrag folgende Diskussionsrunde bestätigte das große Interess der Zuhörer/innen am Thema, machte jedoch auch klar, dass längst noch nicht alle Menschen wissen, was Endlichkeit von Ressourcen bedeutet und wie ein schonender, gerechter Umgang mit ihnen aussieht. Aber genau deshalb tun wir, was wir tun.
Bei mehr Interesse an Thema und Referent ist folgendes Buch zu empfehlen: „Der blinde Fleck der Digitalisierung“ von Felix Sühlmann-Faul und Stephan Rammler, 2018 erschienen im oekom Verlag.
Im Buch werden die Nachhaltigkeitsdefizite der Digitalisierung auf ökologischer, ökonomischer, politischer und sozialer Ebene dargelegt und Handlungsempfehlungen gegeben.
Veranstaltungstipp: Vom 9. bis 10. Mai findet in Leipzig die
7. Fachkonferenz für sozial verantwortliche Beschaffung von IT-Hardware zum Thema Nutzungsdauer & Recycling statt.