Ein Rückblick unserer Projektkoordinatorin Christine Mantu
„Es gibt verschiedene Arten von Geduld, eine davon heißt Hoffnung.“ Harald Lesch bei dem 12. Sächsischen Klimakongress
Tatsächlich ein Samstagtermin auf den ich mich gefreut habe. Für den ersten Input war, nach der Begrüßung von Wolfram Günther, dem Fraktionsvorsitzenden der sächsischen Landtagsfraktion der GRÜNEN, Prof. Harald Lesch eingeladen.
Lesch ist nicht nur ein renommierter Astrophysiker und Professor an der TU München, der die Vorgänge im Weltall erforscht, sondern er bringt auch als Wissenschaftsjournalist und Naturphilosoph die Entwicklungen auf unserer Erde auf den Punkt. Er hat den Begriff „Anthroprozän“ in seinem Buch „Die Menschheit schafft sich ab“, geprägt – Das Erdzeitalter der Menschen. Der Begriff impliziert zum einen unsere Vergänglichkeit, zum anderen aber auch unseren beständigen Einfluss auf die Erde, der wohl unser Zeitalter überdauern wird. Lesch erklärt die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit und Klimaschutz wissenschaftlich.
Leider konnte Prof. Lesch kurzfristig nicht persönlich zur Konferenz erscheinen. Das war für die extra angereisten Fans natürlich eine bittere Nachricht, aber in Zeiten der Digitalisierung kein Problem: Lesch wurde per Skype zugeschaltet. Da allerdings der Bildschirm von Herrn Lesch übertragen wurde, um die Folien in Dresden abrufen zu können, sah das Dresdner Publikum vor allem eine zeitverzögerte Großaufnahme der Gebärdendolmetscherin und Lesch nur recht klein unten im Bild. Hier gibt’s den Vortrag online!
Inhaltlich tat das keinen Abbruch. Lesch erklärte die Folgen des Klimawandels und zeigte die offensichtlichen persönlichen und politischen Handlungsoptionen auf. Er appellierte daran, dass jede und jeder dazu aufgerufen ist, in seiner direkten Umgebung überzeugend zu handeln. Es gäbe keine Alternative. Im Anschluss an die Ausführungen von Prof. Harald Lesch konnten die Anwesenden sowohl per Sli.do Fragen stellen und gewichten sowie klassisch per Mikrofon kundtun. Sli.do erwies sich als überzeugendes Tool. Es gab leider, wie immer, mehr Fragende als Zeit. Auf die Frage, was denn ein Tipp sei, was jede/r tun könne, antwortete Lesch: „Das ist ganz einfach: Einfach weniger von allem!“ Auch auf die Frage, warum so viel Verweigerung dem Klimaschutz entgegentrete, hatte Lesch eine einfache aber dennoch einleuchtende Antwort: Das seien meist ältere Ingenieure, die ihr Lebenswerk in Frage gestellt sehen. Wenn man den Leuten jetzt mitteile, dass das was sie gemacht haben, nun dazu geführt hat unsere Erde zu ruinieren, würde man das Lebenswerk von vielen beschädigen.
Nachdem wir von diesem beeindruckenden Professor, der die Wissenschaft ins Politische holt, einmal mehr bestärkt wurden, ging es mit dem interaktiven Teil weiter.
Ich hatte mich für das Forum „Bürger/innenbeteiligung“ angemeldet. 10 Gäste aus dem Publikum waren im Vorfeld zufällig ausgewählt worden und sollten zu einem konkreten Thema einen von Katharina Toth moderierten Bürger/innenrat nachspielen. Das konkrete Thema war der Dresdner Fernsehturm. Ein im Dresdner Stadtrat recht emotional diskutiertes Thema. Im nachgespielten Rat hingegen, wurde wenig kontrovers diskutiert, denn bis auf einen Diskutanten sah niemand die Notwendigkeit oder die emotionale Verbundenheit mit der Revitalisierung des Objektes. Die Gelder wären in anderen Projekten besser aufgehoben und Massentourismus in einem schlecht angebundenen Naturschutzgebiet wäre nicht vertretbar. Worum es allerdings in diesem Workshop ging, war die Diskussionsmethode. Es sollten neue Lösungen aber auch Bedenken und Informationen von der Moderation verschriftlicht werden. Die Stunde der Diskussionszeit galt also dem Kennenlernen von Moderationsmethode und Konzept des Bürger/innenrates.
Nachdem alle Meinungen ausgetauscht und eine Lösung präferiert wurde, begann die Mittagspause. Das Catering war regional, lecker und nachhaltig vom Grünen Wunder.
Der zweite Teil des Workshops, moderiert von Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der GRÜNEN Landtagsfraktion, schloss sich an die Mittagspause an. Daniel Oppold vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung Potsdam führte uns Teilnehmende mit einem Input in seine Forschung zu Bürger/innenräten ein. Er zeigte, wo diese schon angewandt werden und welche messbaren Veränderungen auch die Teilnehmenden der Bürger/innenräte aufweisen. Diese Räte sind vor allem Instrument, um neue Lösungen in verfahrenen Situationen zu aufzuzeigen. Das Endergebnis hat den Anspruch, konsensual zu sein. Unsere Geschäftsführerin Julia Leuterer fragte, warum die Teilnahmequote der angefragten Bürger/innen so gering sei und ob sich dies mit einer angemessenen Aufwandsentschädigung ändern ließe. Dies konnte tatsächlich als einer der Hauptgründe, sich nicht zu beteiligen, identifiziert werden. Beteiligung braucht also Kapazitäten der Menschen.
Ich persönlich bin ein Fan von Beteiligung und dem Kennenlernen verschiedener Instrumente. Dennoch fällt mir immer wieder auf, dass die Bürger/innen meist nicht einmal die vorhandenen nutzen oder überhaupt von ihnen wissen. Vielleicht wäre es sinnvoll, den Bürgerinnen und Bürgern erst einmal nahe zu bringen, welche Möglichkeiten der Partizipation bereits existieren? Umso mehr kann man den Eindruck „Die da oben interessieren sich gar nicht“, in der Bevölkerung zunehmend abmildern. Neben Wahlen, Petitionen, Beiräten, Rederecht im Stadtrat, Bürger/innensprechstunden und Vernetzungsrunden gibt es mannigfaltige Möglichkeiten sich aktiv in die Gestaltung der eigenen Umgebung einzubringen. Zivilgesellschaftliches Engagement ist gefragt um sich auch bei Entscheiderinnen und Entscheidern Gehör zu verschaffen. Dazu gehört nämlich sowohl ein offenes Ohr auf der einen Seite aber auch auf Verständigung ausgerichtete Kommunikation auf der anderen. Man muss diese Hebel allerdings kennen und bedienen (lernen). Wenn wir weniger gegeneinander, sondern mehr miteinander arbeiten, verschwenden wir deutlich weniger Ressourcen.
Zum Abschluss wurde das Podium mit Gästen wie u.a. Boris Kaiser von Cradle to Cradle von Valentin Lippmann moderiert. Hier wurde die spannende Frage diskutiert, ob Politik angesichts der immer knapper werdenden Zeit im Klimawandel radikaler werden muss. Radikal (ra·di·kal, Adjektiv, von Grund aus erfolgend, ganz und gar; vollständig, gründlich) wurde dabei von den Diskussionsteilnehmenden als die Hinwendung zur Ursachenbekämpfung statt Symptomabmilderung verstanden. Klimaschädliche Industrien müssen planvoll transformiert werden und dieser Wandel auch in seinen positiven Wirkungen für die Bevölkerung kommuniziert werden. So kam z.B. auch die Idee von vier zusätzlichen Klimafeiertagen pro Jahr auf, an denen Autos und Flugzeuge stillstehen. Oder statt eine Umtauschprämie für Autoneukäufe einzuführen, eine Bahncard 100 für alle, die sich kein neues Auto kaufen. Zukunftsmusik? Visionen eben!
Insgesamt war der Kongress wirklich gelungen und man merkte, dass auch gelebte Nachhaltigkeit in den verschiedenen Bereichen mitgedacht wurde.