Die Agenda zu Besuch in der Zukunft
Am 08. November 2018 trat ich eine Reise in die Zukunft an, genauer gesagt in das Jahr 2048. Nachdem mein Einreiseantrag in die Zukunft bewilligt wurde, konnte ich mit meinem Zukunftsvisum einreisen. Die Konferenz Schöne neue Welt 2048 fand dabei – irgendwie merkwürdig passend – im ehemaligen Krematorium in Berlin Wedding statt. Heute ist hier ein Ort für StartUps, Kunst und Kultur – Silent Green genannt. In der alten Feierhalle kamen die über 250 Teilnehmenden zusammen. Begrüßt und auf die zwei kommenden Tage eingestimmt wurden wir von einer aufwendigen Kunstinstallation von Mona Glaß. Sie projizierte einen Bild- und Soundteppich mit allen möglichen – schönen und weniger schönen – Gegenwarts- und Zukunftsbildern an die Kuppel über unseren Köpfen.
Aldous Huxley begrüßte uns im Jahr 2048 und erklärte das Schema der Konferenz: Die Zukunft ist komplex, aber es gibt gewisse Muster, anhand derer sich holzschnittartig zwei Szenarien entwickeln lassen – A und B. Szenario A steht dabei für eine Zukunft, in der das vorhandene Wissen zu nachhaltigen, sozial und global gerechten Handeln konsequenter umgesetzt wird als bisher und wir eine enkelfreundliche Zukunft aufbauen. Szenario B beschreibt die einseitige Weiterentwicklung des Status Quo in Richtung globaler Neoliberalismus mit der damit einhergehenden Ausbeutung von Menschen und Ressourcen. Einen groben Entwurf dieser beiden möglichen Zukünfte stellten dann Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin und Peter Wahl vor. Beide Szenarien waren hoffnungsgebend bzw. beunruhigend komplex und realistisch. Was mich nachdenklich gemacht hat: Auch beim Positiv-Szenario A müssen wir von einer Erwärmung des weltweiten Klimas um 2 Grad ausgehen. Mit all den negativen Konsequenzen dazu. Die positive Nachricht hier ist, dass es nicht mehr als 2 Grad in unserer Zukunft gewesen sein werden.
Das Vorausdenken in mögliche Zukünfte wurde auch in den thematischen Workshops weitergeführt. Bei den Themen
- Bioökonomie und Landwirtschaft,
- soziale Ungleichheit,
- Nord-Süd Verhältnis,
- Zukunft Europas,
- Digitalisierung,
- Klima und Energie und
- ländlicher Raum und Urbanisierung
wurden jeweils bestehende Tendenzen in Richtung Szenario A und B weitergesponnen. Das Programmheft gab auch schon einen Zeitstrahl vor mit möglichen – oder wahrscheinlichen?! – Ereignissen bis 2048. Bei den Themen „Bioökonomie und Landwirtschaft“ standen sich z.B. (A) auf Subsistenz ausgerichtete Gartenstädte einer (B) digitalisierten Landwirtschaft mit noch effektiverer Ausbeutung an Menschen und Ressourcen gegenüber, aber mit dem Versprechen von Gesundheit und ewigem Leben. Beim Thema „Zukunft der Demokratie“ standen sich (B) eine Kommerzialisierung des politischen Engagements mit digitaler und politischer Sichtbarkeit für die ausschließlich zahlungskräftigen Wirtschaftseliten und an die durch Algorithmen an die Filterblasen individualisierten Wahlversprechen einer (A) Demokratie gegenüber, die sich gruppen- und Machtdynamiken bewusst gemacht hat und mit Bürger/innenforen verbindliche Gesetze und Umsetzungsstrategien entwickelt.
Dieses überspitzte Weiterdenken aktueller Tendenzen in beide Richtungen machte mir mal wieder deutlich: Schwarz-Weiß-Denken hilft uns nicht weiter und erschwert den Dialog. Bruchstücke von beiden Szenarien werden auf jeden Fall eintreten und die Entwicklung in ein in 2048 real-existierendes Szenario C wird nicht linear, sondern in Schleifen verlaufen. Wir werden uns auch auf Szenario B einrichten müssen, während wir vieles von einem Szenario A zu entwickeln haben.
Es wurde deutlich, dass wir bis dahin viel mehr Menschen bei ihren Alltagssorgen abholen und ihnen Teilhabe ermöglichen müssen. Dass wir von der kommunalen bis zur Europa-Politik nachhaltige Zukunftsvisionen und -ziele fordern müssen, die über ein oder zwei Legislaturperioden hinausgehen. Und dass wir dabei gleichzeitig auch selbst Politik machen. Denn die Zeit drängt… 2048 is just around the corner.
Hier geht es zu der Dokumentation der Konferenz. Und hier eine ebenso ansehnliche Zusammenfassung als Kurzfilm: